Wir brauchen neue Formen des Dialogs!
Ein friedlicher, gerechter und nachhaltiger Wandel ist möglich!
Was wir auf Grund der Corona-Pandemie derzeit in dieser Welt erleben: Wir sind nicht in der
Lage, von Angesicht zu Angesicht zu sprechen, auf Augenhöhe zu kommunizieren, uns ge-
genseitig zu berühren. Alle Arten von Dialogfähigkeiten, die wir als Menschen gelernt haben,
sind bedroht, dabei kann der Dialog kann die Überwindung von Krisen erleichtern.
Während meiner Ausbildung zur Friedensarbeiterin habe ich gelernt, wie man den Di-
alog als integrative Methode einsetzt. Das beinhaltet nicht nur reden, sondern auch lernen.
Während meines intensiven, persönlichen Transformationsprozesses im Wald zu arbeiten.
Mir wurde klar, dass wir nicht wirklich verstehen, welche weitreichende Bedeutung unser
Verhältnis zur Natur hat, welche Chancen darin liegen. Das brachte mich dazu, mit mehreren
Akteuren das Praxis-Projekt, „Friedensgärten im urbanen Raum“ zu initiieren. Ziel ist es,
“naturbasierten Ansatz” als “Dialog-Methode” für eine nachhaltige Zukunft zu nutzen. Der
Friedensgarten, der mit internationalen Friedensdenkern im Garten der alevitischen Ge-
meinde entstand, war die Plattform, auf der wir miteinander arbeiten, kulturelles Wissen aus-
tauschten und voneinander lernten, während biologisch angebaute Gemüse und Kräuter
wuchsen.
In den städtischen Räumen sollte es mehr solcher Projekte geben – Menschen, die ihre
eigenen Bio-Produkte mit ihren Freunden oder Nachbarn anbauen, besonders weil nachhaltig
angebaute Bio-Lebensmittel nicht überall erhältlich sind. So hat zum Beispiel Oberbarmen
keinen Biomarkt.
Viele Migrant:innen kaufen in Lebensmittelmärkten aus ihrer Community ein, die zu-
meist nicht bio-orientiert sind. Eine Frau sagte: “Bioläden sehen alle gleich aus und wirken
oft so steril. Das führt dazu, dass wir Einwanderer uns noch unwohler fühlen als sonst. Zu-
dem kommt mir mein Kopftuch wie eine weitere Barriere in vor. Also baue ich lieber meine
eigenen Produkte in meinem Garten an, wenn die Saison beginnt. “Ich denke, dass nicht die
Sterilität das Problem ist. Bioläden in Deutschland sind ein Beispiel dafür, dass nicht über
den Tellerrand geschaut wird. Es werden keine kulturtypischen Produkte verkauft, die als ha-
lal oder koscher gekennzeichnet sind, und es fehlen klare Signale, dass Menschen mit wenig
Geld oder interkulturellem Hintergrund willkommen sind.
Das Beispiel Bioläden zeigt, dass insgesamt ein gesamtgesellschaftliger Dialog eröff-
net werden müsste, an dem Regierende, der Wissenschaftler:innen, Künstlern:innen, Stadtex-
pert:innen, Zivilgesellschaft und Menschen aus dem privaten Sektor und weitere beteiligt
sind. Dafür wäre es wichtig, dass die Medien von den Erfolgen der Dialogmethode berichten,
ohne die Probleme zu verschweigen, die die Communities betreffen. So entsteht ein Raum, in
dem wir die “Natur des Dialogs” erkunden können und ein gemeinsames Verständnis für den
Begriff “Nachhaltigkeit” zu schaffen.
Auch wenn wir uns jetzt nicht treffen können, können wir doch nachdenken und beim
Spazierengehen kreativ sein. Meine neueste Idee ist, zwei Menschen mit unterschiedlichem
sozialem, kulturellem und wirtschaftlichem Hintergrund, wie z.B. einen weltbekannten
Künstler und einen Taxifahrer, zu einem gemeinsamen Spaziergang mit anfangs moderiertem
Gespräch einzuladen. Dabei werden die Unterschiede im Austausch von Wissen aus verschie-
denen Kulturen erkundet, um den Prozess der Vertrauensbildung, Heilung, Inklusion und An-
erkennung in Gang zu setzen. Jeder Spaziergang wird auch eine auf Nachhaltigkeit fokus-
sierte Frage haben. Dabei ist das ultimative Ziel beider Parteien, eine Plattform für Zuhören,
gegenseitiges Vertrauen und Respekt zu schaffen, auf der unterschiedliche Ansichten und
Ansätze in einem meditativen Rahmen diskutiert werden können. Am Ende des Gesprächs
soll nicht versucht werden, in allen Punkten übereinzustimmen, sondern auf einem kultursen-
siblen Gedanken ein Verständnis für den anderen zu entwickeln und Empathie herzustellen.
Während meiner Testspaziergänge mit Menschen unterschiedlicher Nationen waren
gewaltsame Konflikte häufig ein Thema. Sie erzählten von tiefen Traumata: z.B.: von der
Konfrontation mit Gewalt in ihrer Kindheit durch Genitalverstümmelung. Oder: von dem Le-
ben allein in einem neuen Land und davon, wie ist es, alles hinter sich gelassen und soziale
Diskriminierung erfahren zu haben. Der Dialog wird über Nacht nichts heilen. Aber er kann
helfen, Spannungen abzubauen, eine Reihe von sozialen Reformoptionen zu entwickeln und
der Politik Hinweise für einen Notfallplan zu liefern, um Heilung zu erreichen und der Utopie
einer friedlichen Gemeinschaft näher zu kommen. Ich habe vor, über diese Spaziergänge je-
den Monat einen Artikel in einer Zeitung zu schreiben.
Ich habe den Eindruck, dass bei den üblichen Methoden der Transformation oft zu
wenig Selbstkritik geübt wird. Viele Projekte schaffen keine emotionale Verbindung zu den
Communities, mit denen sie zu tun haben. Die Leute machen einfach nur ihren Job. Darüber
hinaus behindern oft Traditionen, Tabus, oder die gelebte Realität, dass gefährdete oder mar-
ginalisierte Menschen direkt in einen Dialogprozesse einbezogen werden. Dennoch glaube
ich- und bin selbst der Beweis dafür – dass Veränderung möglich ist. Im Dialog können wir
Werte schaffen, um Menschen für eine friedliche, gerechte und nachhaltige Gesellschaften zu
gewinnen.
Burcu Eke-Schneider